Hartmut Mehdorn in seinem letzten Kampf?

Als er 1999/2000 zur DB AG kam, war ich Azubi bei DB Cargo (die Güterverkehrssparte hieß später Railion, heute DB Schenker). Ich habe ihn damals geschätzt, weil ich sah, dass es die damalige DB durchaus nötig hatte, vom einem gewissen Muff noch befreit zu werden, auch 5 Jahre nach der formellen Privatisierung.

Was dann aber kam, war äußerst widersprüchlich.

„Rambo mit Super-Kleber“ (sueddeutsche.de)

Am meisten störte mich über die Jahre, wie die Bahn von innen umgemodelt wurde; genau an der Stelle, bei der ich selbst meinte, dass Änderungen dringend nötig wären. Was aber bei den Änderungen auf der Strecke blieb, war die Eisenbahn selbst: Logistikdienstleister, Mobility, worldwide. Das ist eben nicht die Eisenbahn, von der der Name des Konzerns („Deutsche Bahn AG“) stammt. Durch diese innere „Normalisierung“ über einen gewissen Punkt hinaus, hat die Bahn viel Charakter verloren, viele Mitarbeiter ihre Passion und es ist viel Unsicherheit und Angst verstreut worden.

Die Eisenbahn ist aber ein verkörperter Antipol zur hektischen, flexiblen, (auto-) mobilen Mehrheits-Gesellschaft — und zwar natürlichermaßen, aus der Sache selbst. Sie ist ein natürliches Monopol, örtlich und geschichtlich fest mit ihrem jeweiligen Standort verbunden.

Und, Eisenbahn braucht Bedacht. Eisenbahn braucht Langfristigkeit. Eisenbahn ist wertvoll (um nicht teuer zu sagen). Eisenbahn ist (wie jeder öffentliche Verkehr auch) kollektiv. Nur, diese vier Punkte stehen durchaus im Feuer unserer Zeit.

Nun sind einige Jahre unter Mehdorn vergangen. Auch einige Minister hat er „unter“ sich erdulden müssen, wie kolportiert wird. Er hat einige, gefühlt viele Fehler gemacht, wie derzeit immer wieder heruntergeschrieben wird. Aber, er hat einen Fehler nicht gemacht: die Bahn ist ein rentables Unternehmen, das dem Bund Geld bringt und keines mehr kostet; auch ohne Börsengang. Das war sein Auftrag und den hat er erfüllt. Ob der Schienenverkehr insgesamt wirtschaftlich oder volkswirtschaftlich besser da steht als früher, wird durchaus kontrovers diskutiert.

Nur ein Datenabgleich. Oder: die Mücke wird tatsächlich zum Elefanten

Jetzt aber das: „Spitzelaffäre“ rauscht es durch den Blätterwald und von Datenautobahnen. Die Telekom hat es vorgemacht (steht noch auf Platz eins, momentan bei Google) aber jetzt ist die Bahn dran, und damit — wie immer — auch Mehdorn.

Moment: „Spitzelaffäre“?

Gemeint ist ein Datenabgleich von fast allen Mitarbeiterdaten mit denen von Lieferanten und anderen Geschäftspartnern. Spitzelei? Bespitzelung? War das nicht etwas anderes? Ja, war es — und ist es auch immer noch. Hier wird eine Wort-Keule ausgepackt, die völlig unfair oder genauer: schlicht falsch ist. Es verhöhnt in meinen Augen auch die, die wirklich bespitzelt wurden. Ob von der Stasi (früher), vom BND, der Telekom (nein, Network) oder auch von der Bahn (nein, auch Network). Wer behauptet, dass die Bahn alle ihre Mitarbeiter bespitzelt hat, muss auch behaupten, dass dieser Staat alles seine Bürger bespitzelt. Denn es ist bekannt, dass z. B. die Finanz-, Sozial-, Schulämter und sondersgleichen Daten abgleichen um sich ein genaueres Bild der Bürger zu verschaffen. Und, ich halte das — sofern es transparent geschieht! — für völlig richtig. Beim Staat (und da gehört zum größen Teil für mich die Bahn auch noch dazu) und bei Monopolisten ist immer eine größere Vorsicht angebracht, da ein dortiger Fehler und ggf. ein Ausschluss des Betroffenen zu größeren Problemen führt, als wenn man bei Supermarkt y wegen nach einem Abgleich von Kundendaten unerwünscht wäre. Es gibt (noch) noch mehrere Supermärkte anderer Konzerne.

Was macht aber die Bahn, was macht Mehdorn jetzt?

Zum Teil beteuern sie richtigerweise, dass der Datenabgleich nichts anstößiges sei, auch wenn sie dabei übersehen, dass die Transparenz dieser Maßnahme druchaus mangelhaft war. Zur Überprüfung haben sie selbst die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, das ist löblich. Aber, sie rücken wieder nur Stückchenweise mit der Wahrheit raus. Das ist unerträglich.

Wenn man keinen Ausweg mehr weiß? Abmahnung

Und am unerträglichsten ist, dass sie gegen das öffentliche Wissen juristisch anstinken wollen: Markus Beckedahl von netzpolitk.org bekam eine Abmahnung, weil er in einem Blog-Eintrag ein Memo des Berliner Landesdatenschutzbeauftragten ins Netz stellte, das zu den Vorgängen rund um die Bahn und ihre „Spitzelaffäre“ Stellung nimmt. Wegen „Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“, so der Betreff des Schreibens. Wie dumm nur. Die Reaktionen laufen beinahe „wie am Schnürchen“. Sehr gut gefällt mir der Beitrag „DB ist der neue DFB“ von Robin Meyer-Lucht.

Ich hoffe für alle, dass die DB dieses Verhalten als misslich erkennt und sich korrigierend verhält, so wie gegenüber den Mitarbeitern auch. Mehdorn sollte sich für die Salamitaktik, die gleich nach dem erscheinen seiner ersten Entschuldigung offenbar wurde, gleich wieder entschuldigen.

Ob das noch geschieht? Oder ob er tatsächlich so angezählt ist, wie auch schon geschrieben wird?

Überbleibsel

Was bleibt ist, dass es dringend anderer rechtlicher Regeln im Umgang mit Veröffentlichungen von brisantem Material bedarf. Das Wissen muss frei bleiben, auch wenn es unangenehm ist, auch wenn dadurch ein Weltkonzern ins Wanken gerät. Für die Freiheit.